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Wegschauen kann keine Lösung sein

Die Buche könnte schon Mitte des Jahrhunderts in grossen Teilen der Schweiz verschwunden sein – und kaum jemanden scheint dies zu interessieren.

24.04.2025

Meinung

Schweiz Z Forstwesen 176 (3): 184–185

Im Jahr 2004 erschien in der «Allgemeinen Forst- und Jagdzeitung» (AFJZ) ein Artikel, der die Gemüter in Politik und Forstwissenschaft stark erhitzte. Rennenberg et al (2004) betitelten ihn mit einer durchaus provokativen Frage: «Die Buche (Fagus sylvatica L.) – ein Waldbaum ohne Zukunft im südlichen Mitteleuropa?». Sie prognostizierten eine mögliche Schwächung der Buche bis Ende des 21. Jahrhunderts, da diese aufgrund ihrer Trockenheitsempfindlichkeit besonders anfällig gegenüber den prognostizierten Klimaextremen sei. Die verminderte Resilienz könne zu erhöhter Mortalität und zur Verdrängung der Buche an ihren bisherigen Hauptstandorten führen. Es wird kolportiert, dass aus der (deutschen) Politik Forderungen an die damaligen Herausgeber der AFJZ herangetragen wurden, den bereits akzeptierten Artikel zurückzuziehen, da er Verwirrung stiften (Hanewinkel 2024) und die Folgen des Klimawandels dramatisieren würde. Der Artikel erschien dennoch, wurde aber von einem Konsortium aus Forstwissenschaftlern kritisch kommentiert (Ammer et al 2005). Die Autoren der Replik sahen keine ausreichenden Anhaltspunkte, um die zentrale Rolle der Buche im mitteleuropäischen Waldökosystem auch in Zukunft infrage zu stellen. Die wichtigsten Thesen von Rennenberg et al (2004) und die Reaktionen von Ammer et al (2005) sind in Tabelle 1 zu finden.

Die Resonanz in Politik, Gesellschaft und Wissenschaft war jedenfalls gross, auch wenn in der öffentlichen Diskussion nicht die Gefahr des Klimawandels für unsere Wälder im Vordergrund stand, sondern eher die Thematisierung dieser Gefahr kritisiert wurde. Auch Ammer et al (2005) warnten in ihrem Artikel ausdrücklich vor einer Verunsicherung der Waldbesitzenden.

Seit 2004/2005 haben die Auswirkungen des Klimawandels auf den Wald zugenommen. 20 Jahre nach der wissenschaftlichen Kontroverse war es an der Zeit, mit neuen Erkenntnissen eine neue Bilanz zu ziehen (Gessler et al 2024). Das Bild, das sich Stand 2024 zeigt, entspricht leider weitgehend den Prognosen von Rennenberg et al (2004) (Tabelle 1). Vor dem Hintergrund der massiven Schäden in den Jahren 2018 bis 2023 und den neuen Prognosen zur Habitateignung sind bei zunehmender Erwärmung und Trockenheit grosse Arealverschiebungen der Buche zu erwarten. Erwartet werden grosse Veränderungen des potenziellen Verbreitungsgebietes der Buche in der Schweiz bis Mitte des Jahrhunderts (Abbildung 1, Gessler et al 2024). Es wird deutlich, dass die Buche fast überall im Mittelland (und in der Regel unterhalb von 900 m ü.M.) keine geeigneten klimatischen Bedingungen mehr vorfinden wird. Diese Prognosen sind weiterhin mit Unsicherheiten behaftet und zeigen eine wahrscheinliche Zukunftsperspektive (z.B. Hanewinkel et al 2013; Saltré et al 2015; Buras et al 2020).

Reaktionen bleiben aus

Eine breitere Diskussion in der Öffentlichkeit, in der Presse, in der Wissenschaft und unter Praktikerinnen und Praktikern ist aber anders als 2004 weitgehend ausgeblieben. Heute käme niemand mehr auf die Idee, solche Aussagen als Panikmache zu bezeichnen. Praxis und Wissenschaft sind sich einig, dass der Klimawandel unsere Wälder bedroht und die zukünftig zur Verfügung stehenden Baumarten einschränkt sowie dass Handlungsbedarf besteht. Wir gehen davon aus, dass auch die Politik dies erkannt hat.

Was aber erstaunt, ist, dass es heute kaum jemanden zu beunruhigen scheint, dass eine der wichtigsten Baumarten der Schweiz in ihrem Hauptverbreitungsgebiet in wenigen Jahrzehnten wahrscheinlich verschwunden sein wird. Dies mag teilweise auf den immer stärker werdenden Einfluss der Aufmerksamkeitsökonomie zurückzuführen sein, die den Klimawandel wegen der aktuellen Krisen vorerst in den Hintergrund drängt. Aber anders als vor 20 Jahren kann man die Diskussion nicht mehr darauf lenken, dass Alarmismus das Problem ist und nicht die mögliche Auswirkung des Klimawandels. Heute müssten vor allem die Bundesämter und Ministerien, die Parlamente, der Bundesrat und die Landesregierungen der deutschen Bundesländer, wenn sie das Thema ernst nähmen, über die Folgen nachdenken – was die Praxis längst tut – und nicht nur lokale Massnahmen zur Anpassung der Wälder umsetzen. Man müsste langfristig an den grundlegenden Ursachen ansetzen und ernsthaft darüber diskutieren, wie sich der Verlust von Ökosystemleistungen auf das Wohlergehen der Menschen auswirkt und wie man diesen Verlust, wenn er unwiederbringlich ist, kompensieren könnte.

Wenn aber fast zeitgleich mit der neuen Publikation in der AFJZ in einer Medienmitteilung des ETH-Rats (ETH-Rat 2024) zu lesen ist, dass bei der Eidgenössischen Forschungsanstalt WSL, welche die Folgen des Klimawandels sowie Anpassungs- und Mitigationsstrategien erforscht und Umsetzungen erarbeitet, im Rahmen der Sparpolitik voraussichtlich rund 30 Stellen abgebaut werden müssen, scheint die Beschäftigung mit den vom Menschen verursachten Problemen, die unsere natürlichen Lebensgrundlagen betreffen, keine hohe Priorität zu haben. Wegschauen kann aber angesichts der wissenschaftlichen Evidenz keine Alternative dazu sein, sich der sehr wahrscheinlichen zukünftigen Realität zu stellen und angemessene Antworten zu finden.

Arthur Gessler, Marcus Schaub

  • Ammer C et al (2005)

    Zur Zukunft der Buche (Fagus sylvaticaL.) in Mitteleuropa – kritische Anmerkungen zu einem Beitrag von RENNENBERG et al (2004). Allg Forst Jagdz 176: 60–67.

  • Gessler A et al (2024)

    Zurück in die Zukunft – Ein neuer Blick auf die Perspektiven für die Buche nach 20 Jahren Forschung und weiter fortschreitendem Klimawandel. Allg Forst Jagdz 193: 206–224.https://doi.org/10.23765/afjz000101

  • Hanewinkel M (2024)

    Baumarten im Klimawandel – Rückblick auf eine kontroverse Diskussion. Allg Forst Jagdz 193: 204–205.

  • Rennenberg H et al (2004)

    Die Buche (Fagus sylvaticaL.) – ein Waldbaum ohne Zukunft im südlichen Mitteleuropa? Allg Forst Jagdz 175 (10–11): 210–224.

  • Saltré F et al (2015)

    How climate, migration ability and habitat fragmentation affect the projected future distribution of European beech. Global Change Biol 21 (2): 897–910.https://doi.org/10.1111/gcb.12771

Fermer les yeux ne peut pas être une solution

Cet essai discute de l'avenir du hêtre en Suisse dans le contexte du changement climatique. En 2004, un article de Rennenberg et al. a déclenché un débat controversé lorsqu'il a prédit que le hêtre pourrait être menacé en Europe centrale d'ici la fin du 21e siècle en raison de sa sensibilité à la sécheresse. Cette prédiction avait été fortement critiquée à l'époque.

Vingt ans plus tard, il s'avère que ces premières mises en garde étaient justifiées. De nouvelles études et les dégâts massifs subis par les forêts en 2018–2023 confirment pour la plupart les prévisions de l'époque. Des modélisations prévoient que le hêtre pourrait disparaître d'une grande partie du Plateau suisse d'ici le milieu du siècle.

Ce qui surprend les auteurs, c'est que cette évolution dramatique n'attire guère l'attention du public aujourd'hui. Contrairement à ce qui s'était passé en 2004, le danger n'est certes plus rejeté comme un discours alarmiste, mais il manque des mesures concrètes – y compris politiques – pour faire face à la situation. Les auteurs appellent à faire face à la probable réalité future et à trouver des solutions appropriées.

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